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Ausdauersportverein

Rennbericht Ostseeman 2016: Um ein Erlebnis und eine Erfahrung reicher.

Bericht von Robert Mattes:

Drei Wochen später und einen Zehennagel weniger kommt hier mein Bericht vom Ostseeman 2016 in Glücksburg.
Der Ostseeman, der nach den Platzhirschen Roth und Frankfurt als der drittgrößte Langdistanztriathlon in Deutschland gilt, fand dieses Jahr zum 15. Mal statt. Da ihm, was die Stimmung an der Strecke, die Organisation und Atmosphäre angeht, ein guter Ruf vorauseilt und mir auch unser Teamkollege Christoph Heermann immer wieder in höchsten Tönen und mit schwärmerischem Schwelgen davon berichtete, wollte ich mich diese Saison dort nochmal an die Langdistanz wagen. Nach den eher durchwachsenen letzten Versuchen setzte ich mir hier drei Ziele: Erstens, finishen. Zweitens, den Marathon durchlaufen. Und drittens, unter zehn Stunden bleiben. Sportpsychologisch betrachtet, clever durchdacht – und was wurde daraus? Das Zeitziel war zumindest ambitioniert, da die Rad- und Laufstrecke wohl nicht so schnell sind wie man vielleicht zunächst annimmt, wenn man bedenkt, dass der Wettkampf an der Ostsee stattfindet. Was sollen da auch schon für Höhenmeter auf einen warten? Nun, Höhenmeter hat die Radstrecke tatsächlich nicht sehr viele – circa 1200 davon standen am Ende auf dem Tacho – aber die Strecke ist doch sehr eckig und zum Teil auch windanfällig, sodass hier deutlich langsamere Zeiten als beispielsweise in Roth oder Köln zu erwarten waren. Doch der Reihe nach und von Anfang an.
Wohl leider allzu bekannt dürfte Langdistanzstartern das mulmige Gefühl sein, das man hat, wenn man am Vorabend des Wettkampfs ins Bett steigt mit der Aussicht, am nächsten Tag um vier Uhr daraus wieder heraus zu fallen- und sich dann, drei Stunden später, den Start in einen langen Tag mit vielen Ungewissheiten, aber gewiss zu erwartenden Schmerzen anzutun. Oft genug habe ich da in den folgenden Stunden kein Auge zugetan, weil ständig der Wettkampf vor dem inneren Auge ablief und sich der Puls dabei weit in die falsche Richtung bewegte. Dieses Mal jedoch war davon nichts zu spüren. Nach zehn Minuten war ich weg und schlief seelenruhig bis der Wecker klingelte. Fühlte sich mal ganz gut an, so durchzuschlafen vor einer Langdistanz. Ob das nun ein gutes oder schlechtes Zeichen war? Die Zeit bis zum Start jedenfalls verging routiniert und unproblematisch, sodass ich nach einem kurzen Einschwimmen um 6.45 Uhr mit einigen hundert anderen Verrückten am Glücksburger Sandstrand stand und die Minuten bis zum Startschuss abwartete. Die Ostsee war wie erhofft schön ruhig und „glatt wie ein Babypopo“ (Chr. Heermann). Um 7 ging es dann endlich los. Die obligatorische Prügelei dauerte nur ein wenig kürzer als in der Liga, sodass ich nach ca. 500 Metern meine kleine Gruppe gefunden hatte. Zwei Runden à 1,9 km standen an und ich hielt mich erst mal ein wenig zurück, um in das Rennen zu kommen und mein Tempo zu finden. Etwas unsicher war ich mir im Vorfeld, wie ich mit dem Salzwasser zurechtkommen würde. Es gibt wahrscheinlich Schöneres, als in eine solche Welle hinein zu atmen und dabei den gesamten Salzvorrat für den gesamten Marathon zu schlucken. Gedacht, getan! Es war dann aber doch nicht so schlimm. Im Gegenteil: dank der permanenten Salzspülung hatte ich gut Luft und konnte mein Tempo in der zweiten, welligeren Runde sogar steigern und übernahm in unserer Vierergruppe dann auch die Führung. So war das Schwimmen in der Ostsee eine ganz wunderbare Sache. Allerdings hätte ich dann doch mal einen Tipp für die Wettkampfplaner: Bitte, bitte, investiert ein paar Euro in die Streckenmarkierung beim Schwimmen und setzt auf den knapp 800 Meter langen Geraden ein paar Bojen zur besseren Orientierung. Vor allem wenn man frühmorgens der Sonne entgegen schwimmt ist es unheimlich schwer und mühselig, sich zu orientieren, wenn das eher kleine Feld sich auseinander zieht und man sich auf die Vordermänner und –frauen auch nicht unbedingt verlassen kann. Aber genug gemeckert. Nach unter diesen Umständen guten 57:18 min kam ich als 7. Einzelstarter 22 Sekunden hinter dem späteren Sieger Till Schramm aus dem Wasser und stolperte ins Wechselzelt. Nach einem Wechsel, der wohl eher den ersten Schritten eines frischgeborenen Kalbs glich, ging es aufs Rad. Die Zielsetzung war klar: den Kopf einschalten und nach Watt- und Pulsmesser fahren. Der Leistungskorridor, in dem ich mich bewegen sollte, um später den Marathon nicht als Wandertag zu begehen, lag bei 220 bis maximal 240 Watt. Am Berg natürlich ein wenig mehr. Dazu der Puls, der zwischen 140 und 150 liegen sollte. In Kombination der beiden Werte sollte mein Heil liegen. Dazu ordentlich verpflegen – meine Edelhelfer erwarteten mich an der Eigenverpflegungsstelle mit meinen Trinkflaschen und den feinen Reisriegeln – und der Tag sollte mein Freund sein. Und das Rad fahren lief dann auch ganz ordentlich! Zwar ist, wie erwähnt, die Strecke nicht wirklich schnell. Es gibt kaum ein Stück, auf dem man es mal rollen lassen kann. Kaum läuft es, kommt auch schon wieder eine Kurve und Antritt oder eine Welle. Dazu kamen in diesem Jahr Regen und Wind. Dennoch macht die Strecke Spaß, weil sie abwechslungsreicher als beispielsweise Köln oder Berlin ist und vor allem, weil man immer wieder von den sehr ausdauernden Zuschauern angefeuert wird! Selbst in der letzten Runde wurde mir jedes Mal in dem Nest Langballig beim Vorbeifahren die La-Ola-Welle gemacht. Und auch in Glücksburg selbst kam fast eine Stimmung wie am Solarer Berg auf – so macht Triathlon Spaß! Am Ende standen also 5:20 h auf dem Tacho – netto, versteht sich. Mein kleiner Ausflug in die Botanik in Runde 1, bei dem ich die Nasshaftung meines hinteren Conti Grand Prix TT ein wenig falsch berechnet hatte und der obligatorische Pinkelstopp nach 120 km seien mal nicht mitgerechnet. Somit war ich nach dem Rad ca. 35-40 Minuten hinter der Spitze – ein Rückstand mit dem ich sehr gut leben konnte. Erfreulich war auch die Konstanz meiner Runden: 51:43, 53:36, 54:31, 54:10, 54:11, sowie 53:28. Das alles bei 230 Watt Durchschnittsleistung, bzw. 235 Nominalleistung – konstant und ohne Einbruch, weil die Ernährung auf dem Rad dieses Mal sehr gut funktionierte. Von flüssig zu fest, dann wieder flüssig am Ende. Der Klassiker klappt!
So, und dann folgte die Stunde der Wahrheit. Es heißt, eine Langdistanz wird ja erst beim Laufen, und hier eigentlich bei der Halbmarathonmarke wirklich interessant. Und was nun folgte, war leider etwas vertraut. Zwei Kilometer brauchte ich, um ins Laufen hineinzufinden, dann lief es zunächst locker-flockig. Fünf Runden zu jeweils 8,5km zum Teil an der Küste, zum Teil im welligen Hinterland sollten doch zu machen sein. Zwei Runden vergingen wie im Flug und mit dem schön kühlen Seewind um die Nase erschien das Ziel, beim Marathon unter 3:30h und am Ende unter 10 Stunden zu bleiben ganz gut machbar. Das Tückische an dem kühlen Wetter war aber, dass ich keinen wirklichen Durst hatte, dabei langsam dehydrierte und allmählich energetisch unterversorgt war. Als ich das allerdings zu spüren bekam, war es dann auch zu spät, um gegenzusteuern. Mitte der dritten Runde dann kam mir das erste Mal das Gel wieder hoch und ich musste stehen bleiben und mich erleichtern. Aus leidlicher Erfahrung wusste ich aber auch, dass das nicht das Ende des Wettkampfs bedeuten muss und ich habe dann versucht, bei den folgenden Stationen allmählich wieder aufzutanken. Im langsamen Joggingtempo also ging es Stück für Stück voran und irgendwann sollte es nur noch eine Runde sein. In dieser lief es wieder einigermaßen und so kam ich nach 4:08h bzw. 10:34h als 40. ins Ziel.
Zwei meiner drei Ziele konnte ich am Ende eines langen Tages also erreichen und zufrieden in den Sommerurlaub weiterreisen. Was bleibt, sind die Erinnerungen an einen herausfordernden, aber gut organisierten und sehr charmanten Wettkampf und die Erkenntnis, dass auch und besonders beim Marathon der Kopf ständig eingeschaltet bleiben sollte, um sich nicht unterzuversorgen. Kleine Fehler rächen sich leider schnell in einem solch langen Rennen. Die Langdistanz ist eben ein Esswettkampf.

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